
“Ich habe entdeckt, dass es genügt, wenn ein einziger Ton schön gespielt wird”, sagt Arvo Pärt. (Foto: Kaupi Kikkas)
Nine Eleven kann auch etwas ganz anderes bedeuten: Am 11. September feierte Arvo Pärt seinen 80. Geburtstag. Ein willkommener Anlass, dem erfolgreichsten klassischen Komponisten der Gegenwart musikalische Porträts zu widmen.
Zu den vielen Gratulanten zählt auch Manfred Eicher. 1984 gründete er das Label ECM New Series eigens, um die Musik des estnischen Komponisten zu produzieren. Das Ergebnis dieser künstlerischen Freundschaft lässt sich auf dem Doppelalbum „Musica Selecta. A Sequence by Manfred Eicher“ nachhören. Es bietet einen spannenden Querschnitt durch Pärts Œuvre der vergangenen 40 Jahre, vom richtungsweisenden „Alina“ über die legendären „Fratres“ bis hin zum eindringlichen „Stabat Mater“.

Musikalische Männerfreundschaft: Arvo Pärt und Manfred Eicher in Finnland (Foto: Tonu Tormis)
Pärts Werk ist geprägt von der Reduktion auf das Wesentliche und von der Stille: „Ich habe entdeckt, dass es genügt, wenn ein einziger Ton schön gespielt wird“, erklärte der Komponist einmal. „Tintinnabuli-Stil“, Glöckchenklang, nennt er seine zum Markenzeichen gewordene Kompositionsart, bei der er nur wenige rhythmische, melodische und harmonische Elemente einsetzt – seit 1976 schreibt Pärt diese Musik. Davor, in den Fünfziger- und Sechzigerjahren komponierte er erst neoklassizistisch, experimentierte anschließend mit Klangflächen und Collagen und schrieb serielle Musik. Mit „Nekrolog“ brachte Arvo Pärt 1960 das erste baltische Zwölftonwerk heraus. Seine Techniken wurden der sowjetischen Nomenklatura bald suspekt; man warf ihm “westliche Dekadenz” vor und setzte seine Kompositionen auf die schwarze Liste. Pärt stürzte der Konflikt in eine tiefe Schaffenskrise, die ihn für acht Jahre verstummen ließ. Er emigrierte mit seiner Familie in den Westen und meldete sich mit “Alina”, dem ersten Stück im neuen Stil, zurück.

Der estnische Stardirigent Paavo Järvi (Foto: Ixi Chen)
Das Label Erato widmet ihm gleich drei Alben: „The Sound of Arvo Pärt“ bietet ein schönes Resümee seines Chor- und Orchesterwerks, interpretiert von den besten musikalischen Kräften aus Pärts Heimat, dem Estnischen Nationalsymphonieorchester etwa, dem Philharmonischen Kammerchor Estlands und Stardirigent Paavo Järvi.

Der Philharmonische Kammerchor Estland (Foto: Kaupo Kikkas)
Zum ersten Mal liegt Pärts vokale Sakralmusik in einer Einspielung mit Knabenchor vor, zwei Weltersteinspielungen inklusive. „Babel“ heißt das Album, mit dem das österreichische Label col legno den Komponisten würdigt. Die neun Stücke hat Pärt selbst ausgewählt, und die Wiltener Sängerknaben sind mit ihren glasklaren, glockenähnlichen Stimmen die idealen Interpreten für seinen Tintinnabuli-Stil. Nachträglich: Alles Gute, Arvo Pärt!

Arvo Pärt Musica Selecta
A Sequence by Manfred Eicher
ECM New Series, 20 Euro

The Sound of Arvo Pärt
Estonian National Symphony Orchestra, Paavo Järvi u.a.
Erato, 15 Euro

Arvo Pärt “Babel”
Wiltener Sängerknaben/Johannes Stecher
col legno, 20 Euro